Wir wollen nach Tarabya

Ob das wieder wahr wird? Einst feierten wir einmal im Jahr Sportfest genau hier. Viele Jahre nach unserer Hochschulreife kam der Schock: Unsere Abi-Feier zum 40., so schön sie auch war, fiel nicht nach meinem Geschmack aus, weil ich fest damit gerechnet hatte, dass sie in Tarabya stattfindet. Hat aber nicht. Denn Deutschland war klamm, und die Benutzung sollt Geld kosten.

Das Gelände dort, schon in der Antike als besonderer Ort anerkannt (Pharmacia (!) oder Therapia), war vom Sultan dem Herrscher Deutschlands, Kaiser Wilhelm Zwo, als besonderes Geschenk überreicht worden – ein Stück Deutschland in seiner Hauptstadt. Plötzlich wollte der Staat aber für die Benutzung des Geländes Gebühren erheben, die man auch sonst auf der Welt für die Nutzung der Anwesen des Auswärtigen Amtes verlangte. An sich nichts Böses, aber für uns, weil die Feier auf dem Schulhof stattfinden musste. Eng aber nicht unbedingt kuschelig.

Da ich dies nicht noch einmal erleben wollte, schrieb ich den damaligen Außenminister Joschka Fischer an (Mail unten). Es dauerte nicht lange, und ein Staatsekretär rief bei mir an und wollte den Vorgang erklären. Ich entgegnete ihm, dass ich nicht dem Minister geschrieben hätte, sondern dem Abgeordneten Fischer, damit er den Minister bitte davon überzeugen möge, dass der Ort für uns eine besondere Bedeutung hätte.

Mittlerweile ist viel Wasser an den Villen von Therapia vorbeigeflossen. In Wikipedia von 2013 stand dies zu lesen:

„Im Mai 2011 wurde beschlossen, daß in Tarabya eine der deutschen Botschaft in Ankara unterstellte Kulturakademie eingerichtet wird. Das Goethe-Institut in Istanbul übernimmt die kuratorische Verantwortung und betreut die in Tarabya wohnenden Künstler. In den historischen Gebäuden sollen fünf bis sieben Künstler aus Deutschland, ausgestattet mit Stipendien für drei bis zehn Monate, arbeiten. Die Stipendien werden unter Aufsicht eines Beirats von einer Jury vergeben. Eine Bewerbung für die Residenzstipendien ist nicht möglich. Zu den Vergabemodalitäten sind keine Details veröffentlicht worden.

Der Jury gehörten 2012 Wolfgang Rihm, David Elliott, Sibel KekilliShermin Langhoff und Joachim Sartoriusan. Die Jury wird vom Beirat unter Vorsitz des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Finanzen, Steffen Kampeter, berufen. Dem Beirat gehören in den Pressemitteilungen der Akademie nicht benannte Vertreter des Bundestages, des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Goethe-Instituts und des Auswärtigen Amts an. Der Akademiebeirat soll auch in Hinblick auf die konzeptionellen Leitlinien für die Kulturakademie beratend wirken.“

Mittlerweile wurden die Gelder bewilligt, und die ersten Stipendiaten konnten ihre Erlebnisse schildern. Ganz weit unten sieht man, wie der Tagesspiegel vom 7. April 2013 die Akademie sieht: Ein Traum – Eine Brücke. (Artikel gesamt unter: TSP Berlin) Und so einer, der gerade dort weilt: „Es ist der richtige Ort zur richtigen Zeit“, sagt Falkner. Istanbul zieht Künstler so magisch an wie New York in den Achtzigern. In der 18-Millionen-Stadt weitet sich die europäische Zentralperspektive, verändert sich der Blick auf die eigene Kultur, die auch hier Wurzeln hat – und Zukunft.

Vielleicht treffen wir den Fotografen während der Abi-Feier in Tarabya. Das wäre Juni 2023 – 60 Jahre Abi!

An Fischer

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